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Heiz Weißflog Naturlangsamkeit in der Malerei
 
Dr. Ingrid Koch
Heinz Weißflog
Heinz Weißflog
Sybille Nütt
 

Naturlangsamkeit in der Malerei

Das Wagnis Farbe kann nur eingehen, wer sie auch beherrscht. Der Dresdner Maler Michael Schwill (geb. 1962 in Genthin) zieht alle Register, vom tiefdunklen, in sich versunkenen Ultramarinblau bis ins fleischfarbene Rosa und ausbrennende Feuerrot. Die jetzige Ausstellung in der Galerie Sybille Nütt mit Ölbildern von 1996 bis 2004 ist die eines Malers mit Gewissen. Einer, der jahrelang an einem Bild malt, bis er es für gelungen befindet, muss der Wahrheit auf der Spur sein. Die Suche aber ist das Spannendste, der Weg das Ziel. Der in Giebichenstein (1987-89) und Dresden (1989-93) bei Giebe, Weidensdorfer und Leifer studierte Maler verdient sich sein Brot mit dem Computer, während andere ihre schlechte Malerei durch ihn verbergen, wie es jetzt Mode ist. Die Trennung von Beruf und Berufung ist gewollt und trägt ihre Früchte, ist aber hart und kräftezehrend: Zwei Dutzend Ölbilder, eines berauschender als das andere, haben die Farbe im klassischen Öl zum Thema. Das Abstrakt-Gegenständliche ist lange gewachsen und braucht Zeit, obwohl es scheint, als sei manches nur so hingeworfen. Das Gestische aber ist Schwills Sache nicht, eher Bedächtigkeit, langes Nachdenken über jeden Quadratzentimeter des Bildes. Seine pastose, oft mit dem Spachtel aufgearbeitete Malerei wirkt nicht räumlich, erzeugt aber dennoch Tiefe. Fläche wurde neben Fläche gesetzt, man ahnt Übergänge, forsch gesetzt. Vor allem aber sind die Bilder durch Farben zentriert, die um einen unsichtbaren Mittelpunkt pulsieren. Bewegung teilt sich mit, Rotation, wie aus einem Flugzeug aufgenommen ("Landeanflug auf Rom", 2004) oder Kopfartiges, Grimassierendes mit großen, tiefen Augenhöhlen ("Auge um Auge um Auge", 2003), das mit sich ringend auf dem Grunde des Bildes schwimmt. Schwills Malerei hat etwas Kompaktes, Festes, trotz Expressivität Beruhigendes an sich. Da ist eine Festigkeit und soghafte Implosion, eine Malerei, die sich als Naturprozess begreift, die, um das Wort Waldo Emersons zu sagen, "Naturlangsamkeit" braucht.
  Es sind nicht Themen, die Schwill bearbeitet, obwohl man meinen könnte, dass die Titel darüber Auskunft geben. Auch erzählt wird nicht. Das Wesen von Schwills Malerei überträgt sich auf den Betrachter durch Entzifferung und den allumfassenden Blick, der immer etwas irritiert wird: Provoziert wird Suche, Beharrlichkeit verspricht dabei seelisch-postive Erlebnisse durch das belebende Antidepressiva der Farben.
  Die Ausstellung in der Galerie Sybille Nütt steht unter dem Titel "Der Mandarin". Dies ist natürlich als Gleichnis für Schwills Arbeitsweise und Sinnsuche zu verstehen, vor allem aber ein geistreicher Aufhänger für die Präsentation. Denn die Im Kaiserreich von China bis 1918 so genannten Staatsbeamten und Würdenträger hatten wichtige Ämter, auch religiöse, inne und schulten sich an konfuzianischem Denken. Ihre Amtstracht war nach außen unscheinbar, innen aber von orange-gelbem Glanz, wie die göttliche Frucht der Mandarine oder der aus Ostasien stammende stolze Mandarin-Erpel. Damit ist das Anliegen, wenn man es überhaupt so formulieren darf, ein Menschliches: Würde. Die Unantastbarkeit des Einzelnen, die sich dem Wort und dem zudringlichen Blick entzieht und von innen leuchtet, wie in den Bildern Schwills, die ihr Rätsel, gottlob, nicht preisgeben wollen und werden.
 
Heinz Weißflog, DNN 27. November 2004
 
Zur Ausstellung "Der Mandarin"
in der Galerie Sybille Nütt, Dresden.